Kommentar |
„Einzigartig“, „unsagbar“, „unvergleichbar“ – mit diesen drei Schlagworten wird der nationalsozialistische Massenmord an den Jüdinnen und Juden in der Öffentlichkeit oftmals beschrieben, doch was genau bedeutet das eigentlich? Ist der Holocaust als historisch beispielloses Verbrechen zu verstehen, oder muss er in der Tradition der (deutschen) Kolonialverbrechen verortet werden? Wir begeben uns auf eine Spurensuche nach dem Konzept der „Singularität des Holocaust“ und seinen Kritiker*innen: Welche Bedeutung hatte etwa der Begriff „Zivilisationsbruch“ (Dan Diner) für die Interpretation des NS-Massenmords und auf welchen internationalen Debatten basiert die heutige Auseinandersetzung um die Singularitäts-These? Wir nähern uns im Seminar sowohl den Theorien einer postkolonialen Erforschung des Holocaust als auch der Geschichte des Holocaustgedenkens und richten den Blick auf geschichtspolitische und geschichtskulturelle Dimensionen des historischen Vergleichs mit anderen Verbrechen, die als Genozide klassifiziert worden sind.
Literatur: Dan Diner: Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen 2007; Sybille Steinbacher (Hrsg.): Holocaust und Völkermorde. Die Reichweite des Vergleichs, Frankfurt am Main 2012; Dan Stone: Der Holocaust und seine Historiographie, in: Olaf Glöckner und Roy Knocke (Hrsg.), Das Zeitalter der Genozide. Ursprünge, Formen und Folgen politischer Gewalt im 20. Jahrhundert, Berlin 2017, S. 34 – 57; Steffen Klävers: Decolonizing Auschwitz? Komparativ-postkoloniale Ansätze in der Holocaustforschung, Berlin/Boston 2019; Michael Rothberg: Multidirektionale Erinnerung. Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonisierung, aus dem Englischen von Max Henninger, Berlin 2021. |