Kommentar |
Die Nachhaltigkeitsdebatte hat sich in den vergangenen 10 Jahren in eine durch multiple Krisen vorangetriebene, sehr viel dringlichere Transformationsdebatte verwandelt. Neben den global sich verschärfenden sozialen Ungleichheitsproblemen sind es vor allem die prognostizierten, bereits heute erfahrbaren dramatischen Folgen des Klimawandels, die diese Debatte vorantreiben. Nachhaltige Entwicklung bleibt dabei, zumindest im Mainstream der Reformdebatte, das Leitbild der geforderten „großen“, sozial-ökologischen Transformation. Damit wird aber die Frage umso dringlicher, wie grundlegende sozial-ökologische Transformationen der Moderne verlaufen, wie und inwieweit sie überhaupt zielgerichtet gestaltet werden können und mit welchen gesellschaftlichen Umbrüchen und Konflikten dies einhergeht (oder einhergehen kann).
Die Soziologie verfügt bislang allerdings kaum über elaborierte Theorien, um die widersprüchlichen, komplexen Dynamiken dieser Transformation, ihrer möglichen Verläufe und Ausgänge angemessen beschreiben und erklären zu können. Das ist angesichts des historisch neuartigen Charakters dieser Umbrüche zwar wenig verwunderlich (vgl. die Anthropozän-Debatte); die Soziologie tut sich aufgrund ihrer speziellen Fokussierung auf das „Soziale“ und aufgrund ihres eurozentrischen Bias, ihres durch die Entwicklungsdynamiken kapitalistischer, westlich-liberaler Industriegesellschaften geprägten Theorieapparats aber auch besonders schwer, auf die neuen Herausforderungen zu reagieren. Das Seminar möchte sich dieser Herausforderung stellen, die einschlägigen Ansätze und Diskussionen „sortieren“ und Desiderate einer gegenstandsadäquaten gesellschaftstheoretischen Analyse dieser Umbruchsdynamiken in gemeinsamer Diskussion herausarbeiten. Das impliziert erstens die Aufarbeitung gängiger und neuer Transformationstheorien, zweitens den systematischen Vergleich aktueller Ansätze einer „großen“ Transformation“, drittens, gleichsam als Test der verschiedenen Transformationsansätze, einen vertieften empirischen Blick auf die konkreten Transformationsdynamiken in einem bestimmten Transformationsfeld (z. B. Energiewende) sowie viertens, die theoretische Verknüpfung sozial-ökologischer Transformationen mit anderen, parallel stattfindenden globalen Umbruchsdynamiken. |
Literatur |
Eine nähere Beschreibung des Seminars, der Arbeitsplan und entsprechende Literatur dazu wird ab Mitte September auf Moodle bereitgestellt. Als generelle Einführung in das Thema dient der in Leviathan 2/2021 (S. 189–214) erschienene Beitrag von K.-W. Brand, „Große Transformation oder Nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit? Wider die Beliebigkeit sozialwissenschaftlicher Nachhaltigkeits- und Transformationstheorien“. |