Kommentar |
»Die Einwirkung höherer Naturen« solle in der Oper »auf uns sichtbarlich geschehen«, so E.T.A. Hoffmann in seiner Dialogerzählung Der Dichter und der Komponist. Was der Dichter-Komponist als romantische Opernästhetik im Jahr 1813 mit Blick auf seine Zauberoper Undine (1816) formulierte, stellt ein grundsätzliches Merkmal von Opern des 19. Jahrhunderts dar, die der romantischen Idee verpflichtet sind, nämlich der Konfrontation alltäglicher Lebensrealität mit einer phantastischen Anderswelt. Diese kann (lebens-)bedrohlich auf die Menschen einwirken wie in Carl Maria von Webers Der Freischütz (1821) oder Heinrich Marschners Der Vampyr (1828). Sie kann von Geisterwesen erzählen, die mit erotischer Leidenschaft um menschliche Beseelung ringen (Undine-Opern) oder von Untoten, deren Erlösungsbedürftigkeit ein menschliches Opfer fordert wie in Richard Wagners Der fliegende Holländer (1843). Die Vorlesung zur sogenannten »frühen« romantischen Oper der ersten Jahrhunderthälfte möchte, neben einer entwicklungsgeschichtlichen Perspektive und einem Seitenblick auf Frankreich (z.B. auf Giacomo Meyerbeers amoralischen ›Anti-Helden‹ Robert le diable von 1831), einen Schwerpunkt setzen auf die Frage nach den musikdramaturgischen bzw. musiktheatralischen Wirkmitteln, die die Komponisten zur Zeichnung der übernatürlichen Sphäre erdacht und realisiert haben. Bleiben sie äußerliches, akzidentelles Spuktheater oder bilden sie den inneren, dramatischen Ankerpunkt für die relevanten Themen dieser Epoche wie der Antagonismus von (heidnischer) Naturhaftigkeit und (christlichem) Kulturleben oder die Projektionen des eigenen, meist unbewussten Empfindens in eine imaginäre ›Nachtseite‹ des Lebens, die zu einem ständigen Wechselspiel zwischen Traum und Wirklichkeit wird? |