Kommentar |
Die italienische Oper war seit ihrer Entstehung und Konsolidierung im frühen 17. Jahrhundert ein veritables Export-Phänomen des Südens: bis über das 19. Jahrhunderts hinaus entfaltete sie in nahezu allen Musikzentren Europas eine Breitenwirkung par excellence. Dieser jahrhundertelange Erfolg mochte mit dazu beigetragen haben, dass – beginnend mit dem Ende des 18. Jahrhunderts – Werke mit anderen ›nationalen‹ Idiomen nicht zeitnah auch auf den Bühnen des Ursprungslandes der Oper aufgeführt wurden. Die Rezeption fremdländischer Bühnenwerke erfolgte, wenn überhaupt, erst mit erheblicher zeitlicher Verspätung und führte dann ab der Jahrhundertmitte zu einer Krise des melodramma; erst unter den Einflüssen von Werken französischer (Meyerbeer, Gounod, Massenet), später auch deutscher Provenienz (Wagner). Diese von Jay Nicolaisen in seiner noch heute grundlegenden Studie von 1980 als »Opera in Transition« bezeichnete Phase der 1870 und 1880er Jahre zeichnet sich, grobkörnig betrachtet, dadurch aus, dass zwischen Verdis Aida und Mascagnis Cavalleria rusticana kaum Werke von nachhaltigem, besser: bis heute andauerndem Erfolg komponiert wurden. Das Seminar möchte unbekannt gewordene Werke dieser Zeit eingehender befragen und Opern analysierend in den Blick nehmen, die auch Ausdruck eines Generationenwechsels wie Wandels von ästhetischen Empfindungen sind: darunter etwa damals vielgespielte Werke von Filippo Marchetti (Ruy Blas), Carlo Gomes (Il Guarany), Amilcare Ponchielli (La Gioconda), Giacomo Puccini (Le Villi), Alberto Franchetti (Asrael) oder Alfredo Catalani (La Wally). Welche Spuren der Auseinandersetzung mit nicht-italienischen Partituren und Opernästhetiken sind an ihnen nachweisbar und an welchen Kriterien lässt sich der landläufige Befund einer Krise tatsächlich dingfest machen? Oder müssen Wertungen wie diese revidiert werden?
Ein begleitendes Tutorium bietet die Möglichkeit, Grundlagen des italienischen Melodramma zu erlernen und zu vertiefen. |