Seminarthema:
Die Lebenssituation und die Versorgung pflegebedürftiger, älterer Menschen in Pflegeeinrichtungen sind in der Corona-Krise zu zentralen Themen gesundheitspolitischer Maßnahmen, öffentlicher Berichterstattung und ethischer Debatten avanciert. Weil das Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung mit zunehmendem Alter und Vorerkrankungen erheblich steigt, wurden zum Schutz der Bewohner/innen rigide Besuchsverbote und Isolationsmaßnahmen in Pflegeeinrichtungen verhängt und die ältere Bevölkerung als Risikogruppe adressiert. Während der Diskurs um die Schutzmaßnahmen in Pflegeeinrichtungen dabei von dem Narrativ der Sorge um die Gesundheit der Älteren getragen ist, wurden gleichzeitig in der Praxis an Covid-19 erkrankten Bewohner/innen von Pflegeeinrichtungen teils pauschal medizinische Behandlungen verwehrt.
Im Verlauf der Pandemie haben sich Kontroversen um die Ausbalancierung von Infektionsschutz und der Wahrung persönlicher Freiheitsrechte und sozialer Teilhabe besonders in den Debatten rund um den Schutz der älteren Bevölkerungsgruppen manifestiert und sich in Diskussionen zu Maßnahmen in Pflegeeinrichtungen zugespitzt. Gleichzeitig wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Pflege nicht erst mit der Corona-Pandemie in einen Ausnahmezustand versetzt worden ist, sondern sich schon zuvor im Krisenmodus befand.
Seminarablauf:
In dem Online-Seminar werden wir die die politischen, kulturellen, ökonomischen und organisationslogischen Voraussetzungen und Folgen des Pflegenotstands in Zeiten der Pandemie in den Blick nehmen. In den ersten Seminarsitzungen beschäftigen wir uns mit der Ökonomisierung von Medizin und Pflege und blicken auf die Folgen von Effizienzsteigerung, Kostendämpfung und Wettbewerbsförderung in der stationären und ambulanten Altenpflege.
Im zweiten Teil des Seminars führen wir in Kleingruppen kleine empirische Forschungen zur Pflege in Zeiten der Pandemie durch. Eine Gruppe untersucht im Rahmen einer eigenen Sekundaranalyse auf Basis von problemzentrierter Interviews mit Pflegekräften, wie Pfleger/innen die Situation während der Pandemie bewältigt haben. Eine andere Gruppe rekonstruiert aus Basis einer inhaltsanalytischen Auswertung von Tageszeitungen den medialen Diskurs zur Pflege in der Pandemie. Abschließend werden wir die Ergebnisse unserer Untersuchung vor dem Hintergrund weiterer empirischer Studien zur Alten- und Krankenpflege in Zeiten der COVID-19-Pandemie diskutieren.
Bei Fragen zum Seminar bin ich am besten per Email zu erreichen: niklas.petersen@med.uni-goettingen.de |