Kommentar |
„Am Ende kommen Touristen“ – was Robert Thalheims Filmtitel ursprünglich für den Holocaust so respektlos wie treffend auf den Punkt gebracht hatte, gilt inzwischen ebenso für die Hinterlassenschaften des Industriezeitalters: Am Boom des Kulturtourismus und der Städtereisen partizipieren auch die Museen und Denkmale der Industrie, und kaum ein Bundesland glaubt heute noch ohne „Route der Industriekultur“ auskommen zu können. Gleichzeitig hat sich eine kulturwissenschaftliche Begleitforschung etabliert, die unter der Bezeichnung „Critical Heritage Studies“ eine Vielzahl von Zeitschriften und Publikationsreihen neu gegründet hat. Das Seminar wird zunächst danach fragen, wie das Industriezeitalter derzeit historisiert wird und in einem zweiten Schritt den geschichtskulturellen Wandel seit den späten 1960er Jahren rekonstruieren, seit erstmals Zweckgebäude der Industrie für denkmalwürdig erachtet wurden. Drittens schließlich gilt es nach dem besonderen Spannungsverhältnis zwischen kritischem Anspruch von Geschichtswissenschaft und dem „Erlebnis Industriekultur“ zu fragen.
Das Seminar soll bis zur Weihnachtspause im Wochentakt stattfinden und dort die Grundlagen für eine mehrtätige Exkursion ins Ruhrgebiet legen, die Anfang Februar stattfinden wird.
Einführende Literatur: Hermann Glaser/Wolfgang Ruppert/Norbert Neudecker (Hrsg.): Industriekultur in Nürnberg. Eine deutsche Stadt im Maschinenzeitalter, München 1980; Stefan Berger: Industriekultur und Strukturwandel in deutschen Bergbauregionen nach 1945, in: Dieter Ziegler (Hrsg.): Geschichte des deutschen Bergbaus, Bd. 4, Rohstoffgewinnung im Strukturwandel. Der deutsche Bergbau im 20. Jahrhundert, Münster 2013, S. 571-601; Tobias Gerstung: Stapellauf für ein neues Zeitalter. Die Industriemetropole Glasgow im revolutionären Wandel nach dem Boom (1960-2000), Göttingen 2016. |