Die durch das Coronavirus SARS-Cov-2 ausgelöste Pandemie wurde verschiedentlich als historisch singulär bezeichnet. Die Bundeskanzlerin sprach von der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Andere glauben, urteilen zu können, dass wir „vor den Trümmern einer Gesellschaft“ stehen, in der „keines der gesellschaftlichen Funktionssysteme“ (René Schlott) intakt geblieben sei. Die politischen Maßnahmen werden so ausschließlich in die unmittelbare Zeitgeschichte eingeordnet.
Eine weiter gefasste historische Perspektive hilft hier bei der Bewertung. Seuchen, also tödliche epidemische Krankheiten, sind – ebenso wie Hungersnöte und Kriege – in der Geschichte menschlicher Gesellschaften ein immer wiederkehrendes Phänomen. Das Seminar setzt deshalb zu Beginn des 19. Jahrhunderts an, als „gemeingefährliche Krankheiten“ zum Alltag gehörten. In dieser Zeit entstanden aber auch moderne Strukturen in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft. So kann der Übergang in die Moderne, ins „Zeitalter der Immunität“ (Malte Thießen), nachvollzogen werden und etwa die gesellschaftliche Verunsicherung durch epidemische Ausbrüche oder die Diskussionen um Impfpflicht und Seuchenschutz des langen 19. Jahrhunderts rekonstruiert werden.
Das Seminar findet ausschließlich online via BigBlueButton statt. Um dennoch einer Gesprächs- und Diskussionssituation nahe zu kommen, wird Engagement und Eigeninitiative der Teilnehmenden wie auch eine adäquate technische Ausstattung vorausgesetzt.
Zur Einstimmung abrufbar:
https://www.kas.de/de/einzeltitel/-/content/bewaehrungsprobe-fuer-den-parlamentarismus
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/bald-wieder-auf-hochtouren
Literatur: Martin Dinges/Thomas Schlich (Hrsg.): Neue Wege in der Seuchengeschichte, Stuttgart 1995; Malte Thießen: Immunisierte Gesellschaft. Impfen in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2017; ders. (Hrsg.): Infiziertes Europa. Seuchen im langen 20. Jahrhundert, München 2014 (darin: Axel Schildt: Seuchen- und Zeitgeschichte. Eine Zwischenbilanz, S. 206-212); Jörg Vögele/Stefanie Knöll/Thorsten Noack (Hrsg.): Epidemien und Pandemien in historischer Perspektive, Wiesbaden 2016; Witte, Wilfried: Tollkirschen und Quarantäne. Die Geschichte der Spanischen Grippe, Berlin 2008; Laura Spinney: 1918 – die Welt im Fieber. Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte, München 2018; Tobias Weidner: Die unpolitische Profession. Deutsche Mediziner im langen 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2012; Richard J. Evans: Tod in Hamburg. Stadt, Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren 1830‑1910, Reinbek bei Hamburg 1990; David Rengeling: Vom geduldigen Ausharren zur allumfassenden Prävention. Grippe-Pandemien im Spiegel von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit, Baden-Baden 2017. |