Kommentar |
Nietzsche gilt als Begründer der sog. „Genealogie” als einer neuen Weise, Geschichte zu betrachten und schreiben, genauer einer besonderen Art, sie „gegen den Strich zu bürsten”. Er selbst versteht sie als eine „fröhliche Wissenschaft”, mit der sich vor allem die überkommene Moral kritisieren, genauer „in die Komödie” befördern lässt (Genealogie der Moral, Vorrede 7). Zu diesem Zwecke geht sie in die „Archive” und entlarvt spezifische, den Menschen selbstevident erscheinende oder in ihrer Geltung unhinterfragte Werte und Wertunterscheidungen (wahr/falsch, gut/böse, Freiheit, Gleichheit, Eigentum etc....) in ihrer historischen Gewordenheit wie auch in ihren verschiedenen Indienstnahmen und Umfunktionierungen im Rahmen sozialer Machtkämpfe. An dieses Programm Nietzsches knüpft Foucault in den 1970er Jahren an; er entwickelt die Genealogie zu einer bis heute überzeugenden Methode der Sozialkritik weiter, indem er sie diskurs-, macht- und subjektanalytisch erweitert und mit ihr soziale Praktiken sowie Institutionen (z.B. der Disziplinierung, des Strafens, des Regierens etc.) der gegenwärtigen Gesellschaft entzaubert.
Wir werden uns im Seminar einerseits mit eher methodologischen Texten Nietzsches und Foucaults beschäftigen, in denen sie ihr Geschichts- und Methodenverständnis reflektieren und erläutern (z.B. Nietzsche: „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben”; Foucault: Archäologie des Wissens (Ausz.); ders.: „Nietzsche, die Genealogie, die Historie”), andererseits eher materiale Studien diskutieren, die uns zeigen können, wie sich konkrete soziale Praktiken und Diskurse genealogisch entlarven lassen (z.B. Nietzsche: Zur Genealogie der Moral; Foucault: Überwachen und Strafen und weitere Untersuchungen zur Disziplinar- und Strafgesellschaft).
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Literatur |
- Friedrich Nietzsche: Unzeitgemäße Betrachtungen. Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben (1874). In: Kritische Studienausgabe (KSA), Band 1 - Friedrich Nietzsche: Zur Genealogie der Moral (KSA 5). - Michel Foucault: „Nietzsche, die Genealogie, die Historie”, in: M. Foucault, Schriften Bd. 2, Frankfurt/M: Suhrkamp 2002, 166-191. - Michel Foucault: Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt/M. 1995
(evtl.) Michel Foucault: Vorlesungszusammenfassungen für die Jahresberichte des Collège de France: 1970-1971 (Der Wille zum Wissen), 1971-1972 (Theorien und Institutionen des Strafvollzugs), 1972-1973 (Strafgesellschaft). In: Schriften in vier Bänden/ Dits et Ecrits, Band II, 1970-1975. Frankfurt/M. 2002, 294-299, 486-490, 568-585. |