Die sprachwissenschaftliche Sicht der Kategorie ʻGeschlechtʼ ist vielfältig. Der Fokus liegt einerseits traditionnell auf Wechselbeziehungen zwischen dem grammatikalischen und dem biologischen Geschlecht, aber auch und vor allem auf der Beziehung zwischen Sprache und soziokulturellen Geschlechterrollen und Geschlechtsidentitäten (Gender), die als Teil eines umfassenden Konzeptes der soziokulturellen Vielfalt (Diversity) verstanden werden. Standen in den 1990er Jahren, zumindest mit Bezug auf die Romania, noch die Referenz auf Frauen und die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Sprachgebrauch von Männern und Frauen im Vordergrund, so rückt aktuell immer stärker die Überwindung einer strikten Zweigeschlechtlichkeit in Sprachgebrauch und Sprachsystem in den Mittelpunkt auch der linguistischen Diskussion.
Die Veranstaltung bietet eine Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen und Forschungsansätzen der Genderlinguistik und eine kritische Diskussion ihrer möglichen Auswirkungen auf ʻetablierteʼ Theorien und Methoden der romanischen Sprachwissenschaft. Darüber hinaus soll eine Bestandsaufnahme aktueller genderlinguistischer Untersuchungen zu romanischen Sprachen erfolgen. Fragestellungen umfassen u.a. die folgenden Bereiche:
- theoretisch-methodische Entwicklung der feministischen Linguistik und Genderlinguistik im romanistischen Kontext - Diskussion und Abgrenzung der Konzepte Genus, Sexus, Gender und Diversity - Diskussion der theoretisch-methodischen Implikationen des Diversity-Konzepts, z.B. für soziolinguistische, dialektologische und sprachgeographische Untersuchungen - Untersuchung ideologischer Fundamente ʻetablierterʼ sprachwissenschaftlicher Theorien - theoretische und methodische Ansätze zur Überwindung einer heteronormativen Sprachwissenschaft (z.B. Queere Linguistik) - kognitive Ansätze zur Untersuchung der Kategorie ʻGeschlechtʼ, z.B. zur Funktion des generischen Maskulinums - u.a.
- Untersuchungen zur Darstellung und Inszenierung von Geschlecht in medialen Zusammenhängen:
- Geschlechter- und Identitätskonstruktion, z.B. in sozialen Medien
- Inszenierung von Geschlecht und genderspezifischer Sprachgebrauch in unterschiedlichen Medien und Textsorten
- Feministische oder LGBTIQ-basierte Kritik an Geschlechterverhältnissen, z.B. durch Komik und Parodie
- text- und diskurslinguistische bzw. diskursanalytische Untersuchungen zur Darstellung von Personen unterschiedlicher Geschlechter und sexueller Identitäten in unterschiedlichen Medien und Textsorten
- Untersuchungen zu geschlechtsspezifischem Sprachverhalten bzw. Erwartungshaltungen bezüglich geschlechtsspezifischem Sprachgebrauch (z.B. im Kontext von MINT-Fächern)
- Untersuchungen zur Kategorie ʻGeschlechtʼ in Sprachsystem, Norm und Sprachgebrauch:
- auf der Ebene der Grammatik:
- aktuelle Tendenzen in Bildung und Gebrauch femininer Personenbezeichnungen
- aktuelle Tendenzen in Gebrauch und Akzeptanz des generischen Maskulinums und seiner Alternativen
- Probleme und mögliche Lösungen einer geschlechtsneutralen oder geschlechtsübergreifenden Referenz (Entwicklung eines ʻinklusivenʼ Sprachgebrauchs)
- u.a.
- auf der Ebene des Wortschatzes:
- lexikalische oder semantische Asymmetrien bei der Referenz auf Personen unterschiedlicher Geschlechter und sexueller Identitäten: Probleme und mögliche Lösungen
- Darstellung von Personen unterschiedlicher Geschlechter und sexueller Identitäten im Wörterbuch (Wörterbuchkritik)
- u.a.
- Untersuchungen zu genderbezogener Sprachpolitik im Hinblick auf die Entwicklung und Durchsetzung eines nicht diskriminierenden Sprachgebrauchs in einzelnen Ländern oder Sprachräumen der Romania |