Kommentar |
Kunst und Religion stehen in der westlichen Welt des Mittelalters und der Neuzeit in einem komplementären Verhältnis zueinander: Kirchen zählen zu den wichtigsten Auftraggebern von Künstlern, mit Gemälden und Skulpturen gestaltete Altäre machen die Heilsbotschaft auf sinnlich-körperliche Weise erfahrbar und Debatten zur Auslegung zentraler christlicher Texte werden in schriftlicher ebenso wie bildlicher Form ausgetragen. Gesellschaftliche Ausdifferenzierungs- und Säkularisierungsprozesse verändern diese Stellung von Kunst und Religion in der Moderne jedoch fundamental. Spätestens im Zuge der Aufklärung löst sich die genuine Verbindung der beiden Bereiche ebenso wie ihre jeweiligen Funktionen für die Gesellschaft zunehmend hinterfragt werden.
Die Selbstverständlichkeit von Religion und Kunst als integralem Bestandteil oder sinnstiftendem Rahmen der modernen Lebenswelt tritt zurück. Stattdessen wird ihre Bedeutung als befreiende Ergänzung, ästhetische Überschreitung oder Erfahrung von Sublimität im Gegensatz zum Alltag betont. Zugleich finden sich jedoch auch solche Deutungen, die der empfundenen Fragmentierung der Moderne neue Synthesen entgegensetzen, etwa in Konzepten einer „Kulturtheologie” oder „Kunstreligion”.
So entstehen mit der Wende zum 20. Jahrhundert verschiedene kulturtheoretische Entwürfe, die das Verständnis von Religion und Kunst, ihre Verhältnisbestimmung und ihre Bedeutung für die Gesellschaften der Moderne eingehend reflektieren. Diese Diskurse kulminieren in der Bestimmung des Begriffs der ‚Kultur‘ selbst und entfalten dabei durchaus ambivalente Bewertungen, die von affirmativ-euphorischen bis zu kritisch-pessimistischen Ansichten bezüglich der Rolle kultureller Phänomene für das moderne zwischenmenschliche Zusammenleben reichen. Im Seminar befragen wir verschiedene Entwürfe von ‚Kultur‘ und ihre jeweilige Deutung des Verhältnisses von Religion, Kunst und Gesellschaft in der Moderne anhand von Texten aus Fachdisziplinen wie der Philosophie, Theologie, Soziologie und Ästhetik (etwa von Friedrich Schleiermacher, Georg Simmel, Max Weber, Paul Tillich, Walter Benjamin, Niklas Luhmann). Die gemeinsame Lektüre will dabei sowohl die einzelnen theoretischen Positionen erschließen, sowie auch deren Implikationen und Konsequenzen aus interdisziplinärer Perspektive im Sinn einer breit gefassten ‚Kulturwissenschaft‘ diskutieren.
Hinweis: Das Seminar ist für die Lehre im Online-Format vorgesehen. Bei der digitalen Veranstaltung werden wöchentliche Aufgabenstellungen (z.B. Protokolle zur Textlektüre, Erstellung von Präsentationen und Handouts) von den Teilnehmenden bearbeitet und in einer gemeinsamen digitalen Plattform (Moodle) zur Diskussion in der Gruppe hochgeladen. Der Austausch erfolgt im Rahmen von Chats, Foren und Videokonferenzen (Zoom). Nähere Infos über den organisatorischen Ablauf werden zu Semesterbeginn per Email bekannt gegeben.
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Literatur |
Literatur zur Einführung:
- Därmann, Iris: Kulturtheorien. Zur Einführung, Hamburg 2011
- Moebius, Stephan: Kultur, Bielefeld 2009
- Müller-Funk, Wolfgang: Kulturtheorie. Einführung in Schlüsseltexte der Kulturwissenschaften, Tübingen/Basel 2006
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