Kommentar |
Anlässlich des 100. Jahrestags des Völkermords in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika kam 2004 eine breite öffentliche Debatte über den Umgang mit deutschen Kolonialvergangenheiten in Gang, die seitdem nicht abgerissen ist. Mit der geplanten Eröffnung des Berliner Humboldt-Forums, das nach Vorstellungen der Museumsfachleute Exponate aus der Kolonialära als Bestandteile eines „geteilten Menschheitserbes“ präsentieren soll, hat sich die Diskussion zuletzt auf die juristische Problematik einer möglichen Restitution von geraubtem Kulturgut zugespitzt. Obwohl HistorikerInnen die Dimensionen des verübten historischen Unrechts grundsätzlich anerkennen, warnten sie in einem gemeinsamen Appell davor, den Umgang mit der deutschen kolonialen Vergangenheit nicht auf „Fragen von Schuld und Gerechtigkeit, Moral und Unrecht“ zu reduzieren („Was wir jetzt brauchen“, in: Die ZEIT vom 13. Dezember 2018). Obwohl das deutsche koloniale Projekt bereits 1919 mit dem Versailler Vertrag offiziell für beendet erklärt wurde, fiel die Vergangenheit danach keineswegs dem Vergessen anheim. Vielmehr konnte die jüngere Kolonialgeschichtsschreibung zeigen, dass sich in der Zwischenkriegszeit und erneut nach dem Zweiten Weltkrieg in beiden deutschen Staaten ein eigentümliches Muster aus Amnesie, nostalgischem Erinnern und (imperialismus-)kritischer Aufklärung herausbildete. Das Seminar fragt daher einerseits nach den Ursachen für die Konjunkturen kolonialer Themen und untersucht andererseits deren Bedeutung in Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft.
Einführende Literatur: Sebastian Conrad, Rückkehr des Verdrängten? Die Erinnerung an den Kolonialismus in Deutschland 1919-2019, in: ApuZ vom 27.9.2019; http://www.bpb.de/apuz/297599/rueckkehr-des-verdraengten-die-erinnerung-an-den-kolonialismus-in-deutschland-19192019 |