Kommentar |
Bachelor
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BA_KG 4B, BA_KG 2B
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Master
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MKG 4B, MKG 3B, MWKG
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Die Zeit ist bekanntlich immer im Fluss. Erlebbar wird sie als Lebenszeit, sie ist endlich. Wir erleben das Alternieren von Tag und Nacht, das Zu- und Abnehmen des Mondes, den Wechsel der Jahreszeiten. Wir erheben den Blick zum Himmel und erfahren unsere Zeit in Relation zu den Bahnen der Planeten. Wir sprechen uns mit anderen Menschen über Termine ab, verwenden Kalender, feiern Jubiläen. Bestimmte Zeitpunkte oder Tage werden herausgehoben und kulturell gestaltet: Wir feiern Feste.
Phänomene dieser Art sind Gegenstand des Seminars: Wie Menschen die Zeit wahrnehmen, gestalten, gliedern. Die Gestaltung des Jahreslaufes durch Feste und Feiertage ist eine Sache der Religionen und veränderte sich mit ihrem Wandel und ihrem Geltungsbereich. Der Modus ‚Jubiläum‘ musste erst einmal erfunden werden (nämlich durch Protestanten und Universitäten, bevor er übertragbar wurde auf alle Erscheinungen). Die zahlenmäßige Zufälligkeit eines Jahrhundertwechsels wurde zwar schon früher bemerkt und gestaltet, stellt aber erst seit 1800 im allgemeinen Bewusstsein eine Schwelle dar. Wie das 19. Jahrhundert ein Jahrhundert der Denkmalkultur war, wurde es auch zu einem Jahrhundert bürgerlicher Festkultur, die sich bevorzugt um die großen Genies rankte (Gutenberg-, Dürer-, Luther-, Beethoven-, Schillerfeste). In den Diktaturen des 20. Jahrhunderts schließlich wurde die Teilnahme an Feiern zur Pflicht: Staat und Partei hatten eine totale Kompetenz an sich gerissen. In unserer pluralistischen Gegenwartsgesellschaft sind Selbstverständlichkeiten wie der Sonntag in Frage gestellt worden, Ferienzeiten privatisiert, Jubiläen trivialisiert, der Jahreslauf kommerzialisiert. Wie geht es weiter mit unserer Kultur der Zeit? |
Literatur |
Einführende Literatur: Lothar Gall (Hrsg.): Das Jahrtausend im Spiegel der Jahrhundertwenden, Berlin 1999. Michael Maurer (Hrsg.): Das Fest. Beiträge zu seiner Theorie und Systematik, Köln, Weimar und Wien 2004. Winfried Müller (Hrsg.): Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung und Inszenierungsgeschichte eines institutionellen Mechanismus, Münster 2004. Paul Münch (Hrsg.): Jubiläum, Jubiläum… Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung, Essen 2005. Michael Maurer: Der Sonntag in der Frühen Neuzeit, in: Archiv für Kulturgeschichte 88 (2006), S. 75-100. Michael Maurer (Hrsg.): Festkulturen im Vergleich. Inszenierungen des Religiösen und Politischen, Köln, Weimar und Wien 2010. Michael Maurer: Zeitkultur: Feste und Feiern um 1800, in: Olaf Breidbach/Klaus Manger/Georg Schmidt (Hrsg.): Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800, Paderborn 2015, S. 57-76. |