Kommentar |
Bereits im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts stellten sich Soziologie und Sozialpsychologie die Frage nach Gestalt und Bedeutung des Autoritarismus i.S. eines Kernelements politischer Ideologien einerseits und als Charakterstruktur andererseits. Insbesondere die früheren und späteren einschlägigen empirischen Studien der Kritischen Theorie sind bis in die Gegenwart einflussreich. Nichtsdestotrotz schien die Frage nach dem Autoritarismus zwischenzeitlich an Bedeutung verloren zu haben, dominierte in soziologischen Zeit- und Subjektdiagnosen doch die Annahme, an die Stelle autoritärer Orientierung seien mehr oder weniger erfolgreich eher horizontal, d.h. auf Vielfalt, Flexibilität und Effizienz ausgerichtete Identitäten, Selbstverhältnisse und gesellschaftspolitische Programmatiken getreten. Diese Annahme wiederum ist durch die jüngeren Entwicklungen, namentlich dem Erfolg rechtspopulistischer bzw. rechtsextremer Parteien und Weltanschauungsangebote weltweit, in Frage gestellt. Aktuelle empirische Studien belegen die Konsistenz und Stabilität autoritärer Orientierungen in einem relevanten Teil der Bevölkerung. Wie also ist es um die Aktualität des Autoritarismus-Theorems bestellt? Inwiefern schließen die gegenwärtigen Phänomene und empirischen Befunde an die klassischen Studien zum autoritären Charakter an (oder gerade nicht)? In welchem Verhältnis steht der (alte und neue) Autoritarismus zu Diagnosen einer Demokratisierung von Familienstrukturen, der Subjektivierung und Flexibilisierung von Arbeit, der Verflüssigung von Identitäten oder der Postdemokratie?
Das Seminar findet 14-tätig vierstündig statt. Bereitschaft zur intensiven Textarbeit sowie zur Arbeit in Arbeitsgruppen wird vorausgesetzt. |