Kommentar |
Das Seminar widmet sich einer der vielseitigsten Textgattungen des deutschsprachigen Mittelalters: Mären, also kürzere narrative Reimpaardichtungen, können feinsinnig amüsant oder lehrhaft, aber auch erschreckend schwarzhumorig oder obszön sein. Sie feiern die höfische Ritterkultur und das Ideal der Minne oder legen schonungslos tiefste Abgründe aller Schichten der Gesellschaft frei. Frauen als Ausbund der Treue wie als Ausbund der Untreue, ‚gute‘ Mörderinnen, sexuell interessierte Nonnen, tote sowie fraglich tote Mönche, zwielichtige Ritter und fanatische Liebhaber treiben hier ihr Unwesen.
Wir werden uns einer abwechslungsreichen Textauswahl des 14. Jahrhunderts unter ganz unterschiedlichen Aspekten nähern. Dazu gehört die vieldiskutierte Frage nach dem, was diese ‚Gattung‘ eigentlich zusammenhält, aber auch nach dem, was uns die Texte über die mittelalterliche Kultur verraten – über den Umgang zwischen den Geschlechtern, über die Rolle des Geldes, über die Sicht auf Verbrechen und über den offensichtlichen Spaß an der Überschreitung jeglicher religiöser und moralischer Grenzen. |