„Vorwärts und nicht vergessen, worin unsere Stärke besteht! Beim Hungern und beim Essen, vorwärts und nie vergessen: die Solidarität!”
(Bertolt Brecht, Solidaritätslied)
Der Refrain des von Bertolt Brecht zwischen 1929 und 1931 gedichteten Solidaritätslieds beschwört die vielfältigen Hoffnungen, die mit dem Konzept der Solidarität verbunden werden. Metaphorisch gesprochen gilt insbesondere in der Gegenwart: Quer über das politische Spektrum hinweg stimmen Akteur*innen in das Loblied auf die Solidarität mit ein. Doch welches theoretisches wie praktisches Potential wohnt dem in der Theoriebildung so lange vernachlässigten Konzept der Solidarität inne?
Die aktuelle Thematisierung von Solidarität kann als Antwort auf als krisenhaft wahrgenommene gesellschaftliche Ereignisse und Prozesse verstanden werden: Von der fortschreitenden Prekarisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen, dem Unbehagen an einer neoliberal verfassten Weltwirtschaft bis hin zu einem drohenden Zerfall der Europäischen Union. Vor dem Hintergrund einer globalisierten Dynamik des Wandels prägten sich in jüngster Vergangenheit unterschiedliche Praktiken der Solidarität aus, in deren Kontexten Menschen kollektive Handlungsformen einer kooperativen Verbundenheit entwickeln, die oftmals transnationalen Charakter haben. Die verschiedenen wissenschaftlichen Ansätze, die sich mit Solidarität befassen, implizieren dabei sowohl unterschiedliche Konzeptionen von Solidarität als auch verschiedene Formen ihrer Reflexion, Kritik, Normativität und Reichweite.
In unserem Blockseminar wollen wir unterschiedliche Ansätze, Perspektiven und Fragen kritisch diskutieren: Inwiefern grenzen verschiedene Konzeptionen von Solidarität sich ab gegenüber anderen normativen Konzepten wie Gerechtigkeit, Altruismus, humanitärer Hilfe etc.? Wer kann mit wem solidarisch sein, welcher Voraussetzungen bedarf es dazu und worin bestehen die Grenzen der Solidarität? Welche Rolle spielen solidarische Praktiken im Kontext praktizierter Demokratie? Lassen sie sich als Modus der Kritik begreifen – und wie lassen sie sich selbst kritisieren? Wie konstituiert sich ein solidarisches „Wir” und wer sind „die Anderen”? Stiftet Solidarität Einheit oder fragmentiert sie Gesellschaften? Wie lässt sich Solidarität im Spannungsfeld von Exklusion und Inklusion verstehen? |