Das Seminar soll Studierende grundlegend in das Themenfeld „Krieg in der Ukraine" einführen, seine Ursachen, Verlauf und Konfliktgegenstände analytisch herausarbeiten und anhand der Bemühungen interner wie externer Akteure aktuelle Lösungsansätze für eine Konfliktbearbeitung aufzeigen.
Nach einer Einführung in analytische Schlüsselbegriffe des Themas gliedert sich das Seminar in zwei thematische Themenbereiche. Ein erster empirischer Themenbereich vertieft die Analyse der ukrainisch-russisch; ukrainisch-europäischen Beziehungen seit 1991 bis 2013 bzw. der ukrainischen Innenpolitik in allen Facetten. Ein zweiter Teil legt ein besonderes Augenmerk auf den Aspekt der zivilen Konfliktbearbeitung. Im letztgenannten Block werden insbesondere die Rolle der ukrainischen Zivilgesellschaft seit 2013 sowie Initiativen im Bereich Peacebuilding - externer wie interner Akteure untersucht und kritisch evaluiert.
Kontext:
Seit dem Jahr 2014 stand die Ukraine vor Herausforderungen, auf die weder der junge Nationalstaat noch seine Zivilgesellschaft ausreichend vorbereitet waren. Die Proteste und Ereignisse um den EuroMaidan bzw. der „Revolution der Würde”, gefolgt von der Annexion der Krim und dem militärischen Konflikt in der Ostukraine haben die ukrainische Gesellschaft bis in das Jahr 2019 hinein nachhaltig geprägt.[1]
Fünf Jahre nach Beginn des Krieges in der Ostukraine befindet sich der bewaffnete Konflikt weiterhin in einer festgefahrenen Situation. Die Lebensbedingungen für die in der Konfliktzone lebenden UkrainerInnen hat sich 2019 nicht substantiell verbessert und die innerukrainischen und geopolitischen Spannungen, die eine dauerhafte diplomatische Lösung des Konfliktes verhindern, bleiben bestehen.
Als Folge der völkerrechtlich nicht anerkannten Krim-Annexion durch Russland und den anhaltenden militärischen Konflikt in der Ostukraine ergeben sich schwierige politische Rahmenbedingungen für die Ukraine, die nicht zu einer innen-und außenpolitischen Stabilisierung des Landes beitragen. Flankierend haben sich die ursprünglich begonnenen Reformbemühungen der ukrainischen Regierung seit Ende 2015 abgeschwächt und wurden nur in einigen wenigen Reformbereichen ernsthaft vorangetrieben.[2] Die unter der neuen ukrainischen Regierung im Jahr 2019 eingeschlagenen Reformbemühungen bedürfen noch einer grundlegenden Analyse, erste Anzeichen auf eine Truppenentflechtung an der Kontaktlinie sind positiv zu bewerten, wenngleich eine umfassende und kohärente außen-wie innenpolitische Reformstrategie noch im Vagen verbleibt.
Für das Jahr 2019 kann keine erfolgreiche politische Lösung des anhaltenden Krieges im Donbas und momentan auch keine realistischen politischen Perspektiven einer Re-Integration, der von Russland unterstützten „Separatisten”-Gebiete, der selbsternannten sogenannten Volksrepubliken von Donezk und Luhansk ausgemacht werden. Gegenwärtig ist an der Kontaktlinie[3] eine militärische Pattsituation zwischen beiden Konfliktparteien eingetreten und eine komplette Nichtumsetzung des Minsk II-Abkommens festzustellen[4]; kein einziger Punkt der im Februar 2015 dreizehn vereinbarten Punkte von Minsk II wurde vollständig umgesetzt.
Der Umstand von weiterhin andauernden Kampfhandlungen entlang der Kontaktlinie führt innerukrainisch zu einer anhaltend stabilen gesellschaftlichen Unzufriedenheit mit dem Fortbestehen des Konflikts. Ohne einen effektiven Waffenstillstand können sich auch die sozioökonomischen Rahmenbedingungen entlang der Kontaktlinie und in der gesamten Ukraine nicht in dem Maße verbessern, wie dies mit einem Ende der Kampfhandlungen geschehen würde.[5]
Die Notwendigkeit, die ukrainische Gesellschaft unter den Bedingungen eines nicht erklärten Krieges tiefgreifend zu verändern, bleibt eine große Herausforderung. Die Ukraine muss gleichzeitig Fragen im Zusammenhang mit der Wiederherstellung des Friedens im Land lösen und tiefgreifende soziale Veränderungen wirksam umsetzen. Beide Herausforderungen hängen davon ab, ob das Land in der Lage ist, mit einem breiten Spektrum von Faktoren erfolgreich umzugehen, die die Gesellschaft aufgrund politischer Präferenzen, ethnischer Identitäten, religiöser Zugehörigkeiten und anderer Merkmale trennen.
[1] Seit dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen auf der Krim und in der Ostukraine 2014 sind mehr als 3,8 Millionen Menschen von den Auswirkungen der Kampfhandlungen in der Ukraine betroffen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 1,7 Millionen Menschen aus der Region Donbas und der Autonomen Republik Krim vertrieben wurden. In: Humanitarian Bulletin Ukraine 15, Oktober 2016, <http://reliefweb.int/report/ukraine/humanitarian-bulletin-ukraine-issue–15–1-october–31-december–2016>, aufgerufen am 29.03.2019.
[2] Benötigte systematische Schlüsselreformen in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, De-Oligarchisierung, Justizreformen blieben bis auf einige Ausnahmen aus.
[3] Eine 470 Kilometer lange Frontlinie, „Kontaktlinie” genannt, die von der südlichen Hafenstadt Mariupol bis hin zur russischen Grenze weit im Osten der Ukraine reicht, trennt die regierungskontrollierte Mehrheit des Landes von den besetzten Gebieten, in denen internationalen Schätzungen zufolge 2,3 bis 3,7 Millionen Menschen leben.
[4] Das Minsk II-Abkommen, beinhaltete eine Roadmap für die Konfliktlösung des Donbas-Konflikts.
[5] So ist Russland lediglich an einem Einsatz der UN-Mission entlang der Kontaktlinie interessiert, die Ukraine lehnt sich ab und will die UN-Mission entlang der ukrainisch-russischen Staatsgrenze stationiert sehen. |