Kommentar |
Die Frage ob – und falls ja, inwiefern – eine (soziologische) Theorie der Gesellschaft sich ihrem Gegenstand gegenüber kritisch verhalten kann und sollte, ist ein Dauerthema disziplinärer Selbstverständigungsdebatten. Im Wesentlichen geht es hierbei darum, ob der Anspruch einer vollständigen und präzisen Beschreibung und Erklärung sozialer Ordnungen auch den Ausweis ihrer normativen Defizite umfasst oder ob dies mit dem Anspruch einer empirischen Wissenschaft kollidiert (prominent etwa im Rahmen des ‚Positivismusstreits‘ verhandelt). Die Kritische Theorie hat hierzu von je her eine deutliche Position bezogen: "Ohne den Gedanken an Resistenz gegen das Versinken ins Totalitäre [...] vermag Soziologie aus dem Labyrinth der sozialen Maschinerie nicht herauszufinden, wie wenig klar er im Dunkel erkennbar sein mag" (Horkheimer). Damit wird die kritische Gesellschaftstheorie als Grundbedingung von Erkenntnis begriffen, ohne die auch eine empirisch sich fundierende Soziologie im Fragmentarischen - bzw. nach Verständnis von Ardorno und Horkeimer: im Ideologischen - verbliebe.
Allerdings haben die verschiedenen Versuche, Maßstäbe der Kritik aus der Gesellschaft selbst zu gewinnen und hierdurch wissenschaftlich zu begründen, ebenso wie das Bemühen um erklärungskräftige und empirisch fundierbare Analysen der Funktionsweise von Gesellschaft als 'System' (prominent bei Jürgen Habermas) dazu beigetragen, dass die Theorie nicht nur 'soziologischer', sondern auch weniger 'negativistisch' geworden ist. Ob und inwiefern dies mit dem Selbstanspruch kritischer Wissenschaft vereinbar war und ist - und vor allem, welche Lehren hieraus für aktuelle Entwicklungen in der (soziologischen) Gesellschaftstheorie gezogen werden können, soll im Seminar anhand von drei 'Generationen' Kritischer Theorie bzw. mit Blick auf Max Horkheimer, Axel Honneth und Jürgen Habermas verhandelt werden. |