Kommentar |
Dieses Masterseminar versucht eine Bilanz zu ziehen zwanzig Jahre nach den Balkankriegen der 1990er Jahre in Slowenien, Kroatien, Bosnien, Kosovo und Mazedonien, in denen es zu schwersten Menschenrechtsverletzungen kam. Inwieweit ist zwischen den Staaten und Ethnien eine Versöhnung gelungen? Welche Instrumente wurden dafür mit welchem Resultat eingesetzt? Und wo ist die Versöhnung warum ausgeblieben oder zurückgeblieben? Die Resümees, die in Politik und Wissenschaft dazu gezogen werden, fallen äußerst kritisch aus. Wir wollen dabei zugleich etwas über Möglichkeiten und Grenzen von Versöhnungsprozessen in Nachkriegsgesellschaften allgemein lernen als auch den Prozess der Versöhnung auf dem Balkan im Besonderen mit all seinen Halbheiten, Rückschlägen und andauernden Spannungen zwischen den zahlreichen Gruppen verstehen. Der Seminarleiter hat eine eigene, noch unveröffentlichte Publikation zum Thema erstellt, die dieses Seminar inspiriert.
Um die Leitfragen zu beantworten, werden wir in drei Schritten vorgehen. Zunächst werden wir uns gemeinsam in die politikwissenschaftliche wie psychologische Literatur zu Versöhnung und „Transitional Justice“ einarbeiten. Hier geht es um Instrumente wie Wahrheitskommissionen und Tribunale, aber auch etwa um historisches Gedächtnis, Denkmäler und Gedenkstätten und deren politische Instrumentalisierung. Danach werden wir einen Überblick über die Balkankriege der 1990er Jahre und deren Folgen gewinnen. Drittens werden wir die zentralen Instrumente evaluieren, die in der Aufarbeitung der Vergangenheit auf dem Balkan zum Einsatz kamen und kommen (etwa das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag), um anschließend den Stand der Aufarbeitung zwischen Volksgruppen zu ermessen, die sich in besonderer Weise schweres Unrecht zugefügt haben (etwa Serben und Bosniaken in Srebrenica). Insgesamt ist diese Vergangenheitsaufarbeitung nicht einfach nur rückwärtsgewandt. Politiker und Gruppen betreiben eine solche Aufarbeitung geleitet von ihren sehr konkreten aktuellen, partikularen Interessen. Es geht uns darum, Versöhnung als politisches Instrument in Post-Konflikt-Gesellschaften nachzuspüren. |
Literatur |
Hinführende Literatur
- Biermann, Rafael, Tolliday, Philip, Rehrmann, Carolina (Hrsg.), Societies in Transition: The Balkans and the Caucasus between Conflict and Reconciliation (i.E.).
- Daase, Christopher et al. (Hrsg.), Apology and Reconciliation in International Relations: The Importance of Being Sorry, Routledge, London 2015.
- Engert, Stefan und Jetschke, Anja, Einleitung: Transitional Justice 2.0 – zur konzeptionellen Erweiterung eines noch jungen Forschungsprogramms, Die Friedens-Warte, Jg. 86, H. 1-2, 2011, S. 15-43.
- Lamont, Christopher K, International Criminal Justice and the Politics of Compliance, London 2010.
- Mallinder, Louise, Amnesty, Political Rights and Transitions. Bridging the Peace and Justice Divide, Oxford 2008.
- Mehler, Daniela, Serbische Vergangenheitsaufarbeitung. Normwandel und Deutungskämpfe im Umgang mit Kriegsverbrechen, 1991-2012, Bielefeld 2015.
- Nadler, Arie, Malloy, Thomas E. und Fisher, Jeffrey D. (Hrsg.), The Social Psychology of Intergroup Reconciliation, Oxford: Oxford University Press, 2008.
- Orentlicher, Diane F., Shrinking the Space for Denial. The Impact of the ICTY in Serbia, Open Society Institute, New York 2008.
- Orentlicher, Diane F., That Someone Guilty Be Punished. The Impact of the ICTY in Bosnia, Open Society Institute, New York 2008.
- Peskin, Victor A., International Justice in Rwanda and the Balkans: Virtual Trials amd the Struggle for State Cooperation, Cambridge 2008.
- Simic, Olivera and Volcic, Zala (Hrsg.), Transitional justice and civil society in the Balkans, New York 2013.
- Stover, Eric and Weinstein, Harvey M. (Hrsg.), My Neighbor, My Enemy. Justice and Community in the Aftermath of Mass Atrocity, Cambridge 2004.
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Voraussetzungen |
Das Seminar findet in Englisch statt. Referate sollen in Englisch gehalten werden. Eine ausreichende Sprachkenntnis für die aktive Teilnahme ist dennoch wichtig.
Um einen Schein zu erwerben, muss während des Seminars ein Referat gehalten werden, inklusive Thesenpapier (30% der Note), anschließend eine Hausarbeit (70%). Regelmäßige Vorbereitung und aktive Beteiligung werden erwartet. |