Kommentar |
Das Seminar setzt einen Zyklus von Lehrveranstaltungen in Sommersemestern fort, in denen die Kernaussagen zentraler Theorien der Internationalen Beziehungen erarbeitet und diskutiert werden. Das Seminar vertieft somit eine Theorie, die in der Einführungsvorlesung behandelt wird, und ergänzt so die Vorlesung.
Im Unterschied zu sonstigen Lehrformaten handelt es sich um einen Lektürekurs, der darauf abzielt, in gemeinsamer Lektüre zentrale Originaltexte führender Autoren vorab zu lesen und diese dann im Seminar in gemeinsamer Textanalyse zu diskutieren und zu vergleichen. Ausgewählte Sekundärliteratur soll ergänzende Informationen vermitteln. Biographische und historische Einordnungen dienen der Kontextualisierung.
Ziel ist es, Sie durch gemeinsame Lektüre von Primärliteratur mit den zentralen Werken einer wichtigen Theorieschule vertraut zu machen. Wir wollen lernen, die Kernaussagen solcher Texte herauszuarbeiten und kritisch zu reflektieren. Zugleich wollen wir die Anwendung in empirischen Analysen üben; und wir wollen gemeinsam Forschungsdesigns diskutieren, wie sie auch für Examensarbeiten benötigt werden.
In diesem Sommersemester steht der Neoliberalismus im Vordergrund, der sich mit der Wechselwirkung von Innen- und Außenpolitik und deren Rückwirkungen auf die internationalen Beziehungen befasst. Dabei sind vier Themenblöcke vorgesehen. Am Anfang werden wir uns anhand von Handbuchbeiträgen einen Überblick über diesen Ansatz verschaffen, seine Genese, zentralen Vertreter und Hauptargumente. Anschließend werden wir den Leittext dieser Schule von Andrew Moravcsik („Anarchy is what states make of it“) gemeinsam erarbeiten. Während Moravcsik v.a. darauf schaut, wie die Innenpolitik die Außenpolitik bedingt, wechselt Gourevitch die Perspektive und schaut ergänzend auf die Wirkung der Außen- auf die Innenpolitik. Da in dieser Schule die Bereichstheorien besonders relevant sind, schauen wir uns einige davon in den nächsten Blöcken nacheinander an: die Idee des „Two-Level-Games“, das für die Erklärung der EU als Mehrebenensystem zentral ist; das Theorem des „demokratischen Friedens“, also die politisch äußerst wirksame Annahme, dass Demokratien untereinander keine Kriege führen (wohl aber gegen Autokratien), was ein wesentliches Motiv für Demokratieexport weltweit ist; die Bedeutung von Bürokratien, besonders Ministerien, und Vetospielern für außenpolitische Entscheidungen; schließlich die Englische Schule, die davon ausgeht, dass Staaten durch gemeinsame Werte und Normen als „internationale Gesellschaft“ verbunden sind; sowie, wenn noch Zeit bleibt, die „diversionary theory of war“, die Kriegführung als Ablenkung von innenpolitischen Problemen interpretiert. Durchweg werden wir die theoretischen Erkenntnisse auf empirische Beispiele anwenden. |
Literatur |
Hinführende Literatur
- Schieder, Siegfried (2006), Neuer Liberalismus, in: Schieder, Siegfried / Spindler, Manuela (Hrsg.), Theorien der Internationalen Beziehungen, 3. Aufl., Opladen, S. 187-222.
- Doyle, Michael W. (2008), Liberalism and foreign policy, in: Smith, Steve / Hadfield, Amerlia / Dunne, Tim (Hrsg.), Foreign Policy. Theories, Actors, Cases, Oxford, S. 49-70.
- Gourevitch, Peter (2002), Domestic Politics and International Relations, in: Carlsnaes, Walter / Risse, Thomas / Simmons, Beth A. (Hrsg.), Handbook of Intertnational Relations, London /Thousand Oaks / New Dehli, S. 309-27.
- Jørgensen, Knud E. (2010), International Relations Theory. A New Introduction, New York, S. 57-77.
- Levy, Jack (1995), Domestic Politics and War, in: Rotberg, Robert I. / Rabb, Theodore K. (Hrsg.), The origin and prevention of major wars, Cambridge, S. 79-100.
- Moravcsik, Andrew (1997), Taking Preferences Seriously. A Liberal Theory of International Politics, in: International Organization 51 (4), S. 513-33.
- Schimmelfennig, Frank (2010), Internationale Politik, Stuttgart, S. 138-159.
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Bemerkung |
Wer die erste Sitzung der Lehrveranstaltung versäumt, ohne sich vorher schriftlich oder persönlich zu entschuldigen, kann den Anspruch auf einen Platz in der LV verlieren, wenn es mehr Interessenten als Plätze gibt. Dies gilt ungeachtet der Platzzuweisung durch Friedolin und ist im Einklang mit der grundsätzlichen Aufhebung der Anwesenheitspflicht. |
Voraussetzungen |
Das Seminar ist sehr interaktiv angelegt und deshalb auf 15 TeilnehmerInnen begrenzt. Da – abgesehen von kurzen Impulsen – keine Referate / Thesenpapiere vergeben und gehalten werden, sind eine regelmäßige Lektüre der Vorbereitungstexte und eine aktive Beteiligung an der Seminardiskussion unabdinglich.
Um einen Schein zu erwerben, ist zum einen als „Mid-Term“ (Prüfungsvorleistung) ein kurzer Review der bisher gelesenen Literatur zu schreiben, sodann nach Semesterende eine Hausarbeit, die ebenfalls stark auf der Seminarliteratur aufbaut. |