Ringvorlesung: Kartographie zwischen Kunst und Wissenschaft
Jahrhunderte lang war die Kartographie eng mit den bildenden Künsten verbunden: Maler wie Leonardo da Vinci und Dürer schufen auch Karten und umgekehrt folgten die Kartographen ästhetischen Prinzipien, die denen der Veduten- und Landschaftsmalerei verwandt waren. Doch trotz aller Gemeinsamkeit unterlagen Karten und Gemälde schon in der Blütezeit der Kartographie im 16. Jahrhundert unterschiedlichen Paradigmen. Mit dem im 18. Jahrhundert aufkommenden Anspruch auf Objektivität verschärfte sich diese Differenz und erreichte mit der Verwissenschaftlichung der Kartographie im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Die Karte galt nun als ein neutrales, allein objektiven Kriterien verpflichtetes Medium, das dem Kunstwerk diametral entgegensteht. Dass diese Neutralität der Effekt einer komplexen Rhetorik ist und dass eine Karte stets implizite Deutungen und Wertungen enthält, folglich spezifische Weltbilder (re)produziert und Machtansprüche geltend macht, hat die kritische Geographie der letzten Jahrzehnte aufgezeigt. Seither ist das Verhältnis von Kartographie und Kunst wieder zum Gegenstand der Reflexion geworden. So werden heute unter dem Begriff „Mapping“ auch subjektive Kartierungsverfahren gefasst. Nicht zuletzt wird die Karte und werden Verfahren der Kartographie in jüngerer Zeit vermehrt von Literatur und bildenden Künsten aufgegriffen. Einer der Vorreiter künstlerischer Auseinandersetzung mit der Kartographie ist Stephan Huber, dessen Werk „Alte Welt – Neue Welt“ die FSU kürzlich erworben hat.
Die Ringvorlesung untersucht das spannungsreiche Verhältnis von ästhetischem und wissenschaftlichem Paradigma in der Kartographie aus unterschiedlichen Perspektiven. In historischen Fallstudien vom 14. bis zum 21. Jahrhundert wird der Wandel dieses Verhältnisses untersucht, systematisch wird nach den Spezifika der Zeichensysteme Kartographie, Malerei und Literatur gefragt und aus künstlerischer Perspektive werden die Potenziale kartographischer Verfahren und ihrer Überschreitung freigelegt.
Programm:
27.10.2014 Prof. Dr. Mirka Dickel (FSU Jena, Geographie) /Prof. Dr. Verena Krieger (FSU Jena, Kunstgeschichte) Einführung
03.11.2014 Prof. Dr. Tanja Michalsky (UdK Berlin, Kunstgeschichte) "In Ymagine mundi Roma habet forma leonis". Das kartographische Bild von Rom im Kontext der Universalgeschichte von Paolino Minorita
10.11.2014 Prof. Dr. Ulrike Gehring (Uni Trier, Kunstgeschichte) Im Visier der Landvermesser. Maßstäbliche Raumentwürfe in der Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts
17.11.2014 Dr. Petra Weigel (Uni Erfurt/Forschungsbibliothek Gotha, Geschichte/Kunstgeschichte) Der Gothaer Kartenstil zwischen Wissenschaft und Kunst
24.11.2014 Prof. Dr. Mirka Dickel (FSU Jena, Didaktik der Geographie) Aufbruch ins Anderswo. Zur Öffnung des Feldes durch Kartographie
01.12.2014 Prof. Dr. Ute Schneider (Uni Duisburg-Essen, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte) Territorialität konfigurieren: Die Internationale Weltkarte (IWK) im 20. Jahrhundert
08.12.2014 Prof. Dr. Verena Krieger (FSU Jena, Kunstgeschichte) Kartographie als Thema und Medium der zeitgenössischen Kunst
15.12.2014 Prof. Stephan Huber (Bayerische Akademie der bildenden Künste München, Bildende Kunst) Meine Karten der Welt
05.01.2015 Dr. Andreas Christoph (FSU Jena, Wissenschaftsgeschichte) Objektive Kartographien? Zum Wandel der Kartenwissenschaft um 1800
12.01.2015 Prof. Dr. Iris Schröder (Uni Erfurt / Forschungszentrum Gotha, Geschichte) When Science meets Art: Wissenschaftliche Praktiken und ästhetische Prinzipien in der Kartographie des 19. Jahrhunderts
19.01.2015 Dr. Barbara Zahnen (HU Berlin, Geographie) Kartengründe und -abgründe der Geographie
26.01.2015 Prof. Dr. Stephan Günzel (BTK Berlin, Medientheorie) Raumbilder – Karten zwischen Topographie und Topologie
02.02.2015 Prof. Dr. Robert Stockhammer (LMU München, Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft) Wissen und Schönheit der Kartographie. Zu "Alexander von Humboldt's System der Isotherm-Kurven, in Merkator's Projektion"
09.02.2015 Prof. Dr. Jörg Dünne (Uni Erfurt, Romanistische Literaturwissenschaft) Kartographische und literarische Weltenränder in der Frühen Neuzeit |