Kommentar |
Im Fokus dieses Seminars steht die Untersuchung von Eigentumsarrangements in Paarbeziehungen durch die Linse der Intersektionalität, ein Konzept, das in US-amerikanischen feministischen Diskursen vornehmlich im Rahmen von Problematisierungen feministisch-antirassistischer politischer Praxis hervorgebracht wurde. Ziel ist es, die komplexen Mechanismen des Umgangs mit Eigentum in Paarbeziehungen aus ungleichheitssoziologischer Perspektive zu erkunden. Neben einer generellen Aufmerksamkeit für die Deutungs- und Aushandlungsprozesse, die zwischen Partner:innen beim Umgang mit Einkommen, Sachgütern, Wohneigentum, Spar- und Finanzvermögen oder Schulden auftreten, wird es uns darum gehen zu untersuchen, wie soziale Ungleichheiten, geprägt durch Klasse oder Milieu, Geschlecht, regionale Herkunft (mit einem besonderen Fokus auf die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland) und Alter, diese Prozesse beeinflussen bzw. von ihnen beeinflusst werden. Warum besitzen bspw. Frauen in vielen westlichen Ländern, trotz scheinbar gleichberechtigter Eigentumsrechte, oft weniger Vermögen als ihre Ehemänner (Bessière & Gollac 2023)? Ist diese geschlechtsgebundene Vermögensungleichheit lediglich in ‚superreichen‘ Paarbeziehungen zu finden oder erstreckt sie sich auch auf die breitere Mittelschicht? Weisen Paare, die in der ehemaligen DDR sozialisiert wurden, tendenziell egalitärere Eigentumsarrangements auf? Wie variiert der geschlechtsgebundene Umgang mit Eigentum im Paar je nach sozialem Milieu? Weshalb findet bspw. vor allem bei akademisierten Paaren aus dem individualisierten Milieu ein Gerangel um Macht statt (Koppetsch & Speck 2015)? Und inwiefern kann Bourdieus Habituskonzept dazu beitragen, die sozialen Prägungen und Muster, die den Umgang mit Eigentum in Paarbeziehungen strukturieren, zu verstehen?
Diesen und weiteren Fragen werden wir im Seminar auf die Spur gehen, wobei wir uns mit deutsch- und englischsprachigen Studien aus der Ungleichheits-, Paar- und Intersektionalitätsforschung auseinandersetzen, und reflektieren kritisch deren Erkenntnisse anhand von konkretem empirischem Material. Dieses Material umfasst Auszüge aus Paarinterviews, die im Rahmen des Teilprojekts B06 'Eigentumsungleichheit im Privaten: Zur institutionellen und kulturellen (Re-)Strukturierung von Eigentumsverhältnissen in Paarhaushalten' des Sonderforschungsbereichs 294 erhoben wurden. Das Seminar setzt daher eine Offenheit und ein gewisses Interesse für qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung voraus.
Nähere Details werden in der ersten Sitzung bekannt gegeben. |
Literatur |
Bessière, Céline, und Sibylle Gollac. 2023. The Gender of Capital. How Families Perpetuate Wealth Inequality. Cambridge, MA: Harvard University Press.
Biele Mefebue, Astrid, Andrea D. Bührmann und Sabine Grenz, Hrsg. 2022. Handbuch Intersektionalitätsforschung. Springer eBook Collection. 1st ed. 2022. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
Koppetsch, Cornelia, und Sarah Speck. 2015. Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist: Geschlechterkonflikte in Krisenzeiten. Berlin: Suhrkamp.
Langreiter, Nikola, Elisabeth Timm und Sabine Hess, Hrsg. 2011. Intersektionalität revisited : Empirische, theoretische und methodische Erkundungen. Kultur und soziale Praxis. Bielefeld: transcript.
Wimbauer, Christine, und Mona Motakef. 2017. Das Paarinterview: Methodologie - Methode - Methodenpraxis. Wiesbaden: Springer VS. |