Kommentar |
Das 19. Jahrhundert war von grundlegenden Änderungen des alltäglichen Lebens geprägt. Viele Menschen migrierten in die wachsenden Städte, in denen sie ein besseres Leben erhofften. Doch mit Industrialisierung und Urbanisierung gingen Revisionen der sozialen Ordnung einher, welche die Widersprüche der rasanten Umbrüche nur scheinbar ins Gleichgewicht brachten. Mit der Thematisierung der Stadt als Hort von Kriminalität und Verbrechen entstanden geschlossene Einrichtungen. Heime, Psychiatrien, Gefängnisse separierten jene von der Gesellschaft, die nicht den Anforderungen von Norm, Produktivität und Moral entsprachen, so dass eine Ordnung der Ausgrenzung zu entstehen schien. Die These von der Ausgrenzung passt kaum zu einem Verständnis von der Moderne im Sinne von Fortschritt und gesellschaftlicher Öffnung. Deshalb wird das Seminar diesem Widerspruch im Spannungsfeld von Wissenschaft, Kultur, Sozialpolitik, Medizin und Politik nachgehen und die Quellen ins Verhältnis zum Begriff der „Moderne“ setzen.
Illustrierte Schriften und Bilder schufen einen die Ausgrenzung stützenden Kosmos. Die neue Bildlichkeit eröffnete eindrückliche Botschaften, die sich im Gedächtnis festsetzten und die Perspektiven auf die Welt nachhaltig prägten. Deshalb werden wir uns mit entsprechenden Schrift- und Bildquellen beschäftigen und ihre Entstehung, Funktion und Wirkungskontexte erschließen.
Literatur: Friedrich Lenger: Metropolen der Moderne. Eine europäische Stadtgeschichte seit 1850, München 2013. Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2013 (zuerst 2009). Gerhard Paul: Das visuelle Zeitalter: Punkt und Pixel, Göttingen 2016. |