Kommentar |
Von der Subsistenzökonomie zur Konsumgesellschaft? Konsumpraktiken und Warenwelten der Frühen Neuzeit
Die Idee eines weitestgehend vom Markt unabhängigen, sich selbst versorgenden Haushalts prägte lange Zeit die Vorstellung des frühneuzeitlichen Wirtschaftslebens; sowohl als propagiertes Ideal in der frühneuzeitlichen Hausväterliteratur als auch als Modell in der historischen Forschung. Erst im England des 18. Jahrhunderts seien dem britischen Historiker Neil McKendrick zufolge die Ursprünge der modernen, sich überwiegend über den Markt und Massenproduktion versorgenden Konsumgesellschaft zu finden. Zum einen gelangten zunehmend neue und teils aus fernen Ländern importierte Güter auf die Märkte und in die Haushalte Europas. Zum andern veränderten sich im Zuge der Protoindustrialisierung und mit Beginn der Industrialisierung die Herstellungsweisen vieler Konsumgüter und neue Vertriebsstrukturen entstanden. Dadurch konnten sich vermehrt auch breitere Bevölkerungsgruppen Waren leisten, die zuvor ein überwiegend dem Adel vorbehaltener Luxus gewesen waren. McKendrick maß diesen tiefgehenden Veränderungen gar einen revolutionären Charakter zu und sprach daher von einer „Consumer Revolution”.
Die jüngere Forschung hat jedoch gezeigt, dass der Wandel von Subsistenzökonomie zur Konsumgesellschaft nicht erst schlagartig im 18. Jahrhundert stattgefunden hat, sondern ein Prozess war, der sich über die gesamte Epoche hinweg langsam entwickelte. Ziel des Basismoduls ist es, einzelne Aspekte dieses Entwicklungsprozesses schlaglichtartig zu beleuchten.Wir werden uns u. a. mit den Orten und Praktiken des Konsums befassen und danach fragen, wo und wie Europäer*innen der Frühen Neuzeit Güter erwarben und welche Zwecke diese Waren erfüllten. Ebenso werden wir uns damit beschäftigen, wie sich die materielle Kultur im frühneuzeitlichen Europa durch das Aufkommen neuer globaler Güter veränderte und welchen Einfluss diese Veränderungen auf die Kultur und den Alltag der Menschen hatten.
Im Rahmen des Basismoduls sollen am Beispiel der Konsumgeschichte zentrale Begriffe und Entwicklungen der Frühen Neuzeit diskutiert sowie einen Einstieg in wichtige Forschungsdebatten und grundlegende Quellengattungen gegeben werden.
Die im Seminar zu lesende Literatur ist teils in deutscher, teils in englischer Sprache. Gute Lesekenntnisse im Englischen werden vorausgesetzt. |
Literatur |
Schmidt-Funke, Julia A. (Hg.), Materielle Kultur und Konsum in der Frühen Neuzeit (Ding, Materialität, Geschichte 1), Köln 12019.
Brewer, John; Porter, Roy (Hg.), Consumption and the world of goods (Consumption and culture in the 17th and 18th centuries 1), London 1993.
MacKendrick, Neil / Brewer, John / Plumb, John Harold, The birth of a consumer society. The commercialization of eighteenth-century England, London 1982. |