Kommentar |
Im Jahr 1950 konstatierte der englische Kunstkritiker Eric Newton, dass die „Britishness of British art“ vorrangig einem „shamelessly romantic temperament“1 zu verdanken sei. Seine Einschätzung bezog sich auf die als unkonventionell empfundene Arbeitsweise von Künstlern wie William Blake und William Turner, vor allem aber auf deren intensive Auseinandersetzung mit der Natur. Jene spezifische Art der eindrücklichen Landschaftserfahrung spielte bereits bei der Etablierung des Begriffs des Romantischen im England des 17. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle. Ungeachtet dessen hat sich der Terminus im anglophonen Raum erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts als analytische Kategorie durchgesetzt, wobei er bis heute vornehmlich in der Literaturwissenschaft angewandt wird. Das Seminar nimmt diese Ausgangslage zum Anlass, anhand von ausgewählten Fallbeispielen über die Bildkunst der Britischen Romantik nachzudenken. Neben dem Romantikbegriff gilt es, die Bildgattungen zu diskutieren, innerhalb derer romantische Sujets verhandelt wurden. Darüber hinaus wird zu fragen sein, inwieweit die Hinwendung zur subjektiven Welterfahrung Einfluss auf Themen und Darstellungsweise der Kunstschaffenden nahm. Das Seminar spannt einen Bogen vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts und richtet den Fokus auch auf denkbare landesspezifische Ausprägungen in Schottland, Irland und England. Exemplarische Werke von Persönlichkeiten wie Blake, Alexander Cozens, Turner, Lady Gordon, Elizabeth Leveson-Gower, John Constable, John Sell Cotman, Samuel Palmer, Thomas Girtin, John Martin, Francis Danby, James Barry oder Daniel Maclise sollen dabei nicht nur auf lokale Eigenheiten, sondern auch auf Transferprozesse mit dem europäischen Kontinent untersucht werden. Zugleich erscheint es im Sinne einer kritischen Annäherung an diese Stilepoche erforderlich, auch die Rezeptionsebene in die Betrachtung einzubeziehen, um hierdurch zu eruieren, welchen Veränderungen das Verständnis der Britischen Romantik innerhalb der Kunstkritik und Kunstgeschichte im Laufe der Zeit unterworfen war.
_____________________________________________ 1 Newton, Eric: In my View, London u. a. 1950, S. 216. |
Literatur |
- Chandler, James und Gilmartin, Kevin [Hgg.]: Romantic Metropolis: The Urban Scene of British Culture, 1780–1840, Cambridge 2005.
- Hühn, Helmut und Schiedermair, Joachim [Hgg.]: Europäische Romantik. Interdisziplinäre Perspektiven der Forschung, Berlin/Boston 2015.
- Kamm, Jürgen [Hg.]: Politisches Denken in der Britischen Romantik, Baden-Baden 2019.
- Lister, Raymond: British Romantic Art, London 1973.
- Lovejoy, Arthur O.: On the Discrimination of Romanticisms, in: PMLA 39:2, Juni 1924, S. 229–253.
- Smiles, Sam: The Image of Antiquity: Ancient Britain and the Romantic Imagination. New Haven/London 1994.
- Vaughan, William: British Painting. The Golden Age from Hogarth to Turner, London 1999.
- Vaughan, William: Romantic Art, London 1978.
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