Kommentar |
Das Konzept der „Ideologie” ist einer der Grundbegriffe des Marxismus im Allgemeinen und der Frankfurter Kritischen Theorie im Besonderen. Traditionell wird es als ein „gesellschaftlich notwendiges falsches Bewusstsein” (Adorno) definiert. Der Begriff bezeichnet dabei spezifische, zu kritisierende kulturelle Produkte und Bewusstseinsformen, die funktionell dazu dienen, ungerechte bzw. entfremdete gesellschaftliche Ordnungen zu untermauern, indem sie eine „Fehleinschätzung” der Beschaffenheit dieser Ordnungen und der Interessen der daran teilnehmenden Akteure beinhalten. Seit Ende des 20. Jahrhunderts geriet jedoch der Ideologiebegriff und die Praxis der Ideologiekritik in eine schwere Krise, da die Idee eines „wahren Bewusstseins”, von dem aus die „Falschheit” einer Weltsicht und -beziehung zu kritisieren wäre, aus theoretisch-philosophischen und politisch-normativen Gründen verdächtig wurde. In den letzten Jahren findet jedoch ein Comeback der Ideologiekritik in der Kritischen Theorie statt, unterstützt von Autoren wie Rahel Jaeggi und Robin Celikates. Dies koinzidiert mit der Entstehung und Konsolidierung „neuer” Phänomene wie Fake News, Verschwörungstheorien und Wissenschaftsleugnung, welche die Aktualität der Idee eines „gesellschaftlich notwendigen falschen Bewusstseins” und der Notwendigkeit der Ideologiekritik suggerieren.
Ziel des Seminars ist es, einen Überblick über die Geschichte und die Aktualität der Ideologiekritik zu geben. Dabei werden die Werke von Autoren wie Marx, Lukács, Horkheimer, Adorno, Marcuse, Althusser, Habermas, Honneth, Jaeggi und Celikates diskutiert. Außerdem wird der marxistische bzw. kritisch-theoretische Ideologiebegriff mit dem „neutralen” wissenssoziologischen Konzept der Ideologie kontrastiert, das von Mannheim entwickelt wurde, und die Kritiken der Ideologiekritik von Autoren wie Ricoeur analysiert. Neben der Diskussion der Theorien wird es auch beabsichtigt, ihre Aktualität anhand der Kritik konkreter ideologischer Diskurse der Gegenwart zu zeigen. |