Kommentar |
Im Zuge der zunehmenden Rivalität zwischen den USA und China lässt sich seit einigen Jahren in vielen Weltregionen ein Wettbewerb der Supermächte um Einfluss gegenüber den kleineren Staaten des internationalen Systems beobachten. Eine Region, in der sich dieses Ringen derzeit besonders dynamisch abspielt, ist der Südpazifik. Für China ist diese Region insbesondere deswegen von großer Bedeutung, da die Kleinstaaten der Pazifikinseln einige der letzten Mitglieder der Staatengemeinschaft sind bzw. waren, die weiterhin Taiwan und nicht die Volksrepublik China diplomatisch anerkennen. Für die USA ergibt sich die Bedeutung der Inselstaaten aus deren geostrategischer Lage entlang wichtiger Nachschubwege des engen verbündeten Australien im Falle einer militärischen Konfrontation um Taiwan.
Wie positionieren sich Kleinstaaten in einem derartigen Wettstreit? Dem Neorealismus folgend handeln kleinere Staaten im internationalen System nach zwei Mustern: Balancing, also Gegenmachtbildung zum (regional) mächtigsten oder bedrohlichsten Akteur, oder Bandwagoning, der Schulterschluss mit einem aufstrebenden Herausforderer in der Hoffnung auf Teilhabe an dessen Erfolg. Darüber hinaus hat ein jüngeres Forschungsprogramm eine dritte Option der Kleinstaaten postuliert: das Hedgen, eine sowohl- als auch Haltung, in der kleinere Staaten versuchen, mit mehreren Großmächten positive Beziehungen zu unterhalten ohne sich an eine Seite zu binden und sich somit gezielt gegen Risiken der Abhängigkeit rückzuversichern.
Ziel des Seminars ist es, die Konzepte des Balancing, Bandwagoning und Hedging mit empirischen Beobachtungen in der Region des Südpazifiks zu konfrontieren. Nachdem die Konzepte anhand ausgewählter neorealistischer Beiträge erarbeitet werden, soll in verschiedenen Fallstudien untersucht werden, inwiefern das Verhalten der Kleinstaaten des Südpazifiks den konzeptionellen Annahmen entspricht und welche Faktoren ein mögliches Abweichen von erwartbaren Mustern erklären können. |