Die Rolle des Materials in (queer-)feministischer künstlerischer Praxis - Einzelansicht

Welche Rolle spielt das Material – und die damit verbundenen Prozesse und sinnlichen Wahrnehmungen – für feministische und queere künstlerische Praxis?
Nach Peggy Phelan bewegt sich feministische Kunst am Rande eines Rahmens, der „die Unterscheidung zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, dem Bekannten und dem Unbekannten markiert”, da sie sich auf das konzentriert, was außerhalb der patriarchalen Logik liegt (Phelan 2005). Kulturgeschichtlich sind zentrale Kategorien künstlerischer Produktivität wie 'Genie', 'Künstlersubjekt' und 'Kreativität' geschlechtlich konnotiert. Damit einhergehend wurde Materie als 'weiblich' und 'passiv', Form und Geist hingegen als 'männlich' und 'aktiv' imaginiert. Diese Dichotomie wird insbesondere seit den 1970er Jahren aus feministischer Perspektive kritisch reflektiert und neu besetzt (u.a. Hoffmann-Curtius/Wenk 1997, Zimmermann 2006). Mit dem Aufkommen der queeren Bewegung rückt explizit auch das Fluide und das Verweigern einer festen Form als subversive Strategie in den Fokus (Brandes/Adorf 2009). Einen wichtigen Beitrag stellen außerdem Arbeitsweisen dar, die Care-Arbeit – die Sphäre der Reproduktion und des ‚Privaten‘ – als materielle, aber meist unsichtbare Grundlage auch des Kunstbetriebs sichtbar machen.

Im Seminar wollen wir uns mit der Kunstpraxis von Künstler*innen seit den 1970er Jahren beschäftigen. Wir werden uns aus verschiedenen Blickwinkeln nähern: Der Fokus liegt auf der Verwendung von Alltagsgegenständen, dem Textilen, dem Körper und der Hinwendung zu Handlungen als Ausdruck von Beziehungen. Neben Beiträgen aus der feministischen Kunstgeschichte und der Materialikonographie lesen wir Texte zu damit verbundenen Themen wie dem Konzept des situierten Wissens, dem Abjekten und der Care-Arbeit.

Brandes, Kerstin / Adorf, Sigrid: Einleitung. "Indem es sich weigert, eine feste Form anzunehmen" - Kunst, Sichtbarkeit, Queer Theory, in: FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur 45 (2008), S. 5–11.

Futscher, Edith / Löffler, Doris (Hrsg.): Stoff wechseln? Ein geschlechterkritischer Blick auf Material und Medium, FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur 57 (2014).

Haus, Andreas / Hofmann, Franck/ Söll, Änne (Hrsg.): Material im Prozess. Strategien ästhetischer Produktivität, Berlin 2000.

Hoffmann-Curtius, Kathrin / Wenk, Silke: Mythen von Autorschaft und Weiblichkeit im 20. Jahrhundert, Marburg 1997.

Phelan, Peggy: Survey. Art and Feminism, in: Helena Reckitt (Hrsg.): Art and Feminism, London u.a. 2005, 14–49.

Sigler, Friederike: Arbeit sichtbar machen. Strategien und Ziele in der Kunst seit 1970, München 2021.

Tammen, Silke: „Seelenkomplex” und „Ekeltechniken” – Von den Problemen der Kunstkritik und Kunstgeschichte der „Handarbeit”, in: Anja Zimmermann (Hrsg.): Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung, Berlin 2006, 215–240.

Wagner, Monika: Form und Material im Geschlechterkampf, in: Corina Caduff/Sigrid Weigel (Hrsg.): Das Geschlecht der Künste, Köln u.a. 1996, S. 175–196.

Prüfungsvoraussetzung: aktive Teilnahme am Seminar, Vorbereitung der Texte zu den jeweiligen Sitzungen und die Übernahme eines Referats

Prüfungsleistung: Hausarbeit, Umfang des Fließtextes: B.A. 10-12, M.A. 12-15 Seiten