Kommentar |
Das Verhältnis der Soziologie zu ihrem Gegenstandsbereich kann in vielfältiger Hinsicht als kritisch bezeichnet werden. Soziologisches Denken startet zunächst an einer imaginären Scheidelinie zwischen Innen- und Außenseite (Teilnahme- und Beobachtungstandpunkt) der sozialen Praxis, was zu analytischen und theoretischen Problemen führt: Immerhin findet soziologische Erkenntnis in der Gesellschaft und unter ihren Bedingungen (der Arbeitsteilung, der Rationalitätsentwicklung usw.) statt, weshalb die Analyse Praxis ist, die Praktiken verändert (oder auch: stabilisiert) und deshalb gegenüber ihrem Gegenstand nicht unbeteiligt bleiben kann. Die darin enthaltenen Spannungsmomente ziehen sich wie ein roter Faden durch den Prozess der Selbstverständigung des Faches. Auch die seit einiger Zeit wieder vehementer geführten Auseinandersetzungen um das Thema soziologischer Kritik lassen sich daher nur vor dem Hintergrund von drei stets mitgeführten Fragestellungen vollständig verstehen: Wie wird der gesellschaftliche Ort der Soziologie bestimmt? Was gilt als Kritik? Inwiefern werden Möglichkeiten und Grenzen der Soziologie (selbst)kritisch reflektiert?
Das Seminar beginnt mit einer Diskussion klassischer und neuerer Thesen zur gesellschaftlichen Stellung und Aufgabe der Soziologie als Wissenschaft, die einen engen Bezug zum Thema soziologischer Kritik aufweisen. Im Anschluss hieran sollen die in der aktuellen Debatte einflussreichen Entgegensetzungen und Differenzen („Soziologie der Kritik” vs. „kritische Soziologie”, „Künstlerkritik” und „Sozialkritik”, „normativ” vs. „wertneutral” usw.) herausgearbeitet werden. Sie dienen als Folie für die Diskussion ausgewählter kritischer Theorieansätze (u.a. neuere Ideologiekritik, poststrukturalistische Kritik) und ihrer empirischen Konkretisierungen. |