Johannes Brahms im Spiegel seiner Briefe. Ein Lektüreseminar
Bezeichnete Robert Schumann den jungen Brahms auf Grund seiner vermeintlichen Unlust an schriftlicher Kommunikation noch als „Schreibefaulpelz”, musste die Forschung dieses Bild nach und nach revidieren. Analog zur Expansion der Post im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts war der Brief auch für Brahms die zentrale Kommunikationsform, welche er – in allen Tonlagen – virtuos beherrschte. Der Nachwelt vermittelt die Korrespondenz von Brahms an Freund*innen, Kolleg*innen und seine Verleger faszinierende Einblicke in Leben und Schaffen des Komponisten.
Weniger philologisch, als vielmehr hermeneutisch motiviert, erarbeiten wir uns gemeinsam im Seminar ausgewählte Teile der Korrespondenz von Brahms. Dabei kommt dem Sprechen über Musik eine zentrale Rolle zu. Was bedeutet es etwa, wenn Elisabeth von Herzogenberg in einem Kammermusikwerk von Brahms den Komponisten selbst erblickt und konstatiert, dieses sei „besser als alle Photographien und so eigentliche Bild von Ihnen”? Wieso kokettiert Brahms selbst immer wieder über den schweren Zugang zu seinen Werken und bezeichnet in diesem Kontext gegenüber Carl Reinecke, dass seine erste Sinfonie „lang und nicht gerade liebenswürdig ist”? Wie ist zu bewerten, dass alle Briefpartner*innen von Brahms sich über seine Musik in einer gefühlshaften Metaphernsprache äußern, obwohl gerade Brahms sich bekanntermaßen ungern weder zum Schaffen noch zum (gefühlshaften) Inhalt seiner Musik äußerte? Das Sprechen über Musik schafft den Brückenschlag, der es uns im Seminar ermöglicht, auf ausgewählte Werke von Johannes Brahms einzugehen und die durch den Briefwechsel suggerierten Sichtweisen auf das Werk des Komponisten kritisch zu erproben.
Dozenten: Dr. Benedikt Schubert/Dr. des. Helena Schuh
Vorbereitende Sitzung via Zoom: 14.04.2023, 16:00-17:00 Uhr (Zugangsdaten werden zu Beginn des Semesters bekanntgegeben) |