Platons großer Dialog Politeia ("Verfassung", Staat") verbindet eine Theorie der Ethik und der menschlichen Seele mit dem Entwurf eines idealen Staatswesens. Das eine soll aus dem anderen verständlicher werden - beide sollen einander erhellen. Das Ideal ist ein Überwachungsstaat mit drei getrennten Klassen, der von Philosoph*innen geleitet, also durch höchste Einsicht organisiert werden soll. Die Institution der Familie und sonstiger Nahverbände soll darin ebenso aufgehoben sein wie das Privateigentum und die traditionelle Aufgabentrennung zwischen Männern und Frauen. In einem Schlussmythos gibt Platon eine Art von Erklärung dafür, warum Menschen sich oft so unpassende Lebensweisen wählen - wir alle sind nach seiner Meinung für unser Schicksal selbst verantwortlich. Der Dialog enthält auch eine Charakterisierung der Philosophie in drei Gleichnissen, das Höhlengleichnis ist darunter das berühmteste.
Im Seminar wollen wir Platons Gedankengang folgen und erwägen, was wir von seinen Argumenten halten.
Platon, Politeia Seminarplan
FSU Jena, Sommersemester 2024, Dr. Kienzler
Die römischen Ziffern bezeichnen die zehn Bücher des Textes.
1 Die Ausgangsfrage: Was ist Gerechtigkeit? Erste (unzureichende) Antwort: Die Wahrheit sagen und keine Schulden haben (dann kann man beruhigt sein). (I)
2 Politisch betrachtet: Gibt es, realistisch gesehen, nur das Recht des Stärkeren? These des Sophisten Thrasymachos: Die Rede von Gerechtigkeit ist nur ein Schwindel (vgl. die Geschichte vom Ring des Gyges)
Dagegen Sokrates: Ist im wirklichen Leben der, der gerecht ist, aber nicht so scheint, gegenüber dem, der ungerecht ist, aber gerecht scheint, nicht immer im Nachteil? Ist man also nur zur Not und wegen des äußeren Anscheins gerecht (oder tut eben so)? (I)
3 Sokrates: Wir gründen gedanklich einen Staat um diese Dinge zu prüfen. Was brauchen wir alles dazu? Arbeitskräfte, Polizei und Leitung (II)
4 Sokrates: Wir gründen einen Staat um diese Dinge zu prüfen. Was brauchen wir dazu?
5 Wie sollen die Wächter*innen, die für die innere Sicherheit sorgen, ausgebildet werden? – Leider müssen sie gelenkt und auch teilweise angelogen werden (II-III)
6 Damit es gut werden kann: Das Privateigentum ist aufzuheben, die Familie aufzulösen, Männer und Frauen müssen gleichberechtigt sein – sonst gibt es nur Streit und das verhindert die Eintracht. (II-IV)
7 Ein Vergleich: Drei Seelenteile und vier Tugenden: Verteilte Aufgabe (IV)
8 Warum die Philosoph*innen die Herrschenden werden müssen, wenn es gut werden soll (und warum sie lügen dürfen.): Meinen können alle, Wissen, welches der einzige Weg zu gerechten und stabilen Verhältnissen ist, braucht Philosophie (VI)
9 Sonnen- und das Liniengleichnis für die Formen des Wissens: die Idee des Guten (VI)
10 Das Höhlengleichnis: der Weg der Befreiung (VII)
11 Der Ausbildungsgang der Philosoph*innen: der Weg zur Dialektik (VII)
12 Der Kreislauf der Staatsformen: Die Einheit und ihre schrittweise Auflösung (VIII-IX)
13 Das Wesen der Dichtung als bloße Nachahmung und Fragen der Zensur (X)
14 Der Schlussmythos von der Gerechtigkeit im Jenseits und der Lebenswahl (X)
15 Fazit: Ein totalitärer Philosophentraum, eine tiefgreifende Seelentheorie, eine Übung in Analogien, ein Gemälde der Philosophie selbst? |