Kommentar |
Mehr noch als die Dogmatik steht die kirchliche Verkündigung in Gefahr, einem Defizitmodell zu folgen, das die traditionelle Dialektik von Sünde und Gnade zu einer Abfolge von Not des Menschen und Hilfe Gottes simplifiziert. Man will ja schließlich Antworten auf die Defizite und Fragen des Menschen anbieten. Das ist etwas salopp formuliert, das Problem bleibt: Ist es das Erste, was vom Menschen zu sagen ist, dass er aus dem Guten herausgefallen ist (Ursünde, Entfremdung, Unheil, Mängelwesen etc.) – und von Gott, dass er dem Menschen aufhilft? In diesem Fall stehen Heilslehre und Gotteslehre in Gefahr, funktionalisiert zu werden. Die Lehrveranstaltung folgt einer anderen Spur, die bei der Herrlichkeit Gottes (doxa bzw. kabod) ansetzt. Wir werden sie beim in der Moderne vielverschmähten Anselm von Canterbury kennenlernen, auch die ausgeprägte Verwendung der entsprechenden Wortfelder in vielen alttestamentlichen und neutestamentlichen Texten verwundert. Warum also nicht theozentrisch denken und staunen, dass Gott zu seiner Herrlichkeit kommt, indem er den Menschen an ihr teil gibt? Neue Blicke ergeben sich auf den Kreuzestod Christi als Verherrlichung und Gottesdienst, im Blick auf den Glauben als Teilhabe an der Herrlichkeit unter den Bedingungen der Unvollkommenheit und der Übel der Welt, schließlich im Blick auf ein christliches Ethos als Gottesdienst der Leiblichkeit. Der katholische Theologe H. U. von Balthasar gehört zu den wenigen, welche die Gotteslehre, Christologie, Heilslehre und Ethik unter dem Leitfaden des Herrlichkeitsbegriffs zu entwerfen suchten.
Die Übung wird als Intensivwoche durchgeführt, zu der die Texte vorher gelesen sein müssen. |