Kommentar |
Galt die Digitalisierung in Deutschland lange Zeit als Wunschtraum, gehören Tablets, Smartboards und eine gute WLAN-Abdeckung heute zur unhinterfragten Standardausstattung vieler (wenn auch längst nicht aller) Schulen. Damit rücken auch viele digitale Lehr-Lern-Szenarien, die jahrelang zur "Feiertagsdidaktik" zählten, zunehmend in den Bereich des alltäglich Möglichen. PowerPoints, Lernsoftware und jüngst auch KI-basierte Tools und Anwendungen ergattern im Schatten der großen Feuilleton-Debatten nahezu unbemerkt einen Platz im Standardrepertoire der Lehrperson. Obwohl Schule also ein gemeinhin träge Institution ist, kann mithin auch hier nicht mehr geleugnet werden, dass die Digitalisierung Einzug in unsere Kultur gehalten hat.
Für den Deutschunterricht, um den es uns im hier angebotenen Seminar gehen soll, stellt sich folglich einmal mehr die Frage, welche Konsequenzen sich aus dieser Entwicklung für professionelles Handeln im Deutschunterricht ergeben. Da das Semester zu kurz ist, um den Deutschunterricht in Gänze in den Blick zu nehmen, konzentrieren wir uns mit unseren Nachforschungen auf den Literaturunterricht und darin stattfindende Prozesse literarisches Lernen. Reichlich Zündstoff für das Seminar und auch das daran anschließende Prüfungsgespräch werden unter anderem folgende Fragen bieten:
- Lesen Schüler:innen überhaupt noch gedruckte Bücher? Und wenn nicht: Lesen sie digital und was lesen sie?
- Ist es didaktisch sinnvoll, die Schüler:innen auch noch in der Schule mit Literatur im Computerspiel oder auf Social Networks zu konfrontieren, wenn sie sich damit (vermeintlich) schon im Alltag befassen? Oder sollten nicht gerade in der Schule auch die Klassiker Raum erhalten?
- Ist ein digitaler Literaturunterricht automatisch motivierender als einer, der 'nur' auf gedruckte Texte zielt?
- Welche Kompetenzen lassen sich im digitalen Literaturunterricht besser oder schlechter fördern als im 'traditionellen' Literaturunterricht? Welche neuen Kompetenzen und Lernziele geraten in den Blick?
- Inwiefern eignen sich KI-Tools und digitale Anwendungen tatsächlich, um das Verstehen literarische Texte im Unterricht zu fördern?
Spoiler: Auf die meisten dieser Fragen gibt es (bislang) keine verlässlichen Antworten. Wohl aber gibt es erste Forschung, die es uns erlaubt, diese und andere Fragen theoretisch wie empirisch zu reflektieren. Ziel des Seminars ist es folglich, professionelle Herausforderungen des Literaturunterrichts im Kontext von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz vor dem Hintergrund fachdidaktischer, medienwissenschaftlicher und literaturwissenschaftlicher Forschung zu betrachten. Dazu gehört auch, dass wir uns mit den Gegenständen eines digitalen Literaturunterrichts vertraut machen. Auf dem Programm stehen hier u. a. Netzliteratur, Computerspiele und VR-Anwendungen.
Teilnehmende am Seminar brauchen in diesen Bereichen keine Vorkenntnisse, sollten aber die Neugier und Bereitschaft mitbringen, sich mit den Gegenständen und der zugehörigen Forschung vertraut zu machen. Kenntnisse in beiden Bereichen stellen dann auch die Grundlage für die mündliche Staatsprüfung dar, die auf das Seminar folgt.
Zugelassen werden nur Studierende im Lehramt Deutsch, die ihr Praxissemester bereits absolviert haben und die Staatsprüfung ablegen wollen und dürfen (vgl. die entsprechenden Anforderungen des Landesprüfungsamts). Idealerweise haben haben Sie zudem das Modul "Literaturwissenschaft und Schule" bereits abgeschlossen. (Das ist aber kein Muss). |