Kommentar |
Fremd-Sein kann einerseits als individuelle, innerliche und existenzielle menschliche Erfahrung verstanden werden, andererseits ist Fremd-Sein häufig das Ergebnis eines kollektiven, (nur) von außen zugeschriebenen "Etiketts", mit dem Einzelne, Gruppen und Institutionen bestimmen, wer "dazugehören" darf, und wer nicht.
Am Beispiel der internationalen Studierenden und Wissenschaftler*innen der Universität und in der Stadt Jena soll der Geschichte und Gegenwart des Fremd-Seins nachgegangen werden, um unter anderem zu ergründen, welche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kontexte jeweils mit dazu beitragen, wie mit den "Fremden" umgegangen wird, wie die "Fremden" sich selbst, das Leben vor Ort und die Begegnungen mit den anderen erfahren. Der zeitliche Schwerpunkt der Untersuchungen liegt auf dem 20. und 21. Jahrhundert, mit Rückgriffen in die ältere Universitätsgeschichte, um längerfristige Veränderungen und Entwicklungen verstehen und einordnen zu können. Auf theoretischer Ebene beschäftigen wir uns u.a. mit Konzepten des „Othering” und mit Überlegungen dazu, wie Sprache, wie die wiederholte Verwendung von bestimmten Schlagwörtern, Begriffen und Metaphern den Blick auf und den Umgang mit den „Fremden” prägen kann (Framing-Theorie).
Weitere Seminarthemen und -aspekte können z.B. sein: Wie erforscht man Fremdheit und „Fremde”?; „Fremde” in Jena, Thüringen, Deutschland im 20. Jahrhundert; „erwünschte” und „unerwünschte” Fremde an der Universität; Lebensbedingungen und Alltagswelten der Studierenden; internationale Studierende zwischen Betreuung und Kontrolle; zur Situation „fremder” Studierende in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus, in der DDR. |
Literatur |
Literatur (Auswahl):
- Einax, Rayk (2007): „Junge Sendboten der Freundschaft”. Ausländische Studierende an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. In: Hoßfeld, Uwe; Kaiser, Tobias; Mestrup, Heinz (Hg.): Hochschule im Sozialismus. Studien zur Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena (1945-1990). 2 Bde. Köln/Weimar/Wien: Böhlau. Bd. 1, S. 930-956.
- Gandhi, Leela (2022): Postcolonial Theory. A Critical Introduction. Edinburgh: Edinburgh University Press.
- Hänel, Christoph (2009): Zwischen passiver Förderung und selektiver Beschränkung. Das Ausländerstudium an der Universität Jena 1870-1918. Diss. Jena.
- Hoßfeld, Uwe (2003): „Kämpferische Wissenschaft”. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Köln: Böhlau.
- Klemperer, Victor [1947] (2022): Die Sprache des Dritten Reiches. Beobachtungen und Reflexionen aus LTI. Ausgewählt, herausgegeben und mit einem Essay von Heinrich Detering. Frankfurt/Main: Büchergilde Gutenberg.
- Mac Con Uladh, Damian (2005): „Studium bei Freunden?” Ausländische Studierende in der DDR bis 1970. In: Müller, Christian Th; Poutrus, Patrice G. (Hg.): Ankunft – Alltag – Abreise. Migration und interkulturelle Begegnung in der DDR-Gesellschaft. Köln: Böhlau, S. 175-220.
- Reuter, Julia (2002): Ordnungen des Anderen. Zum Problem des Eigenen in der Soziologie des Fremden. Bielefeld: Transcript.
- Siebe, Daniela (2009): „Germania docet”. Ausländische Studenten, auswärtige Kulturpolitik und deutsche Universitäten 1870-1933. Husum: Matthiesen.
- Spivak, Gayatri C. (1996/1985): Subaltern studies. Deconstructing historiography. In: Landry, Donna; MacLean, Gerald (Hg.): The Spivak reader. London: Routledge, S. 247-272.
- Steinbach, Matthias; Gerber, Stefan (Hg.): (2005): „Angst vor der Moderne?” Die Universität Jena von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Quedlinburg: Bussert & Stadeler.
- Thurner, Ingrid (2021): Anderssein und Andersmachen. Über Diversitäten, Diskriminierungen und Dummheiten. Essays und Kommentare. Wien: Löcker.
- Wehling, Barbara (2017): Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet und daraus Politik macht. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
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