Kommentar |
Ein junger Mann soll einen Mord an seinem Vater begangen haben. Die Verhandlung vor Gericht ist abgeschlossen, es wurden Zeugen gehört und Indizien geprüft. Nun tritt eine Jury zusammen, um ein Urteil über Leben und Tod zu fällen. In seinem Film Die zwölf Geschworenen (im Original: Twelve Angry Men) aus dem Jahr 1957 vergegenwärtigt uns Sidney Lumet diese besondere Situation, in der eine Gruppe von Menschen, die sich nicht kennen und bislang nur gemeinsam einer Gerichtsverhandlung beigewohnt haben, mit einem übereinstimmenden Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten befinden muss.
Im Seminar möchten wir ausgehend von der filmischen Inszenierung der Frage nachgehen, was es für das Urteilen bedeutet, dass wir uns als Menschen in einem Bezugsgewebe von Geschichten und Gefühlen bewegen: Was und wer wir jeweils sind, sind wir durch die "Geschichten", in die wir "verstrickt" sind – so zumindest die philosophische Grundthese von Wilhelm Schapp. Aus pädagogischer und philosophiedidaktischer Perspektive wollen wir deshalb diskutieren, wie sich ein Ethos des Urteilens im Spannungsfeld von eigenen und fremden Geschichten, menschlichen Handlungen und kriterialen Wertmaßstäben entwickeln kann. Diese bildungsphilosophischen Überlegungen werden anschließend mit Blick auf die eigene Lehrerpersönlichkeit und das eigene Bildungs- und Urteilsverständnis reflektiert. |